Herkunft und Definition
In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff Neuroplastizität populär, nachdem Forscher wie Donald Hebb zeigten, dass sich Synapsen durch wiederholte Aktivität verändern. Bislang war davon ausgegangen worden, dass das Nervensystem ab dem Erwachsenenalter ausgebildet wäre und danach an Funktion und Leistungsfähigkeit abnähme.
"Things that fire together, wire together."
Heute beschreibt Neuroplastizität die Fähigkeit des Gehirns, sich ein Leben lang strukturell und funktionell zu verändern – also neue Verbindungen zu bilden, bestehende zu verstärken oder abzuschwächen und sogar neue Nervenzellen zu erzeugen.
Neuroplastizität aus heutiger Sicht
Lange Zeit galt das erwachsene Gehirn als weitgehend unveränderlich. Neuere Forschung zeigt jedoch, dass Lernen, Erfahrung, Aufmerksamkeit, Stress oder gezielte Übungen Gehirnstrukturen verändern können. Beispiele sind das Dickenwachstum des Hippocampus bei Taxifahrern in London (Routenlernen) oder die feiner ausgebildeten Fingerrepräsentationen bei Musikern.
Um die zweitausender herum konnte nachgewiesen werden, dass bei jungen Menschen die Hirnregion, die für die Motorik der Daumen zuständig sind, besonders deutlich ausgeprägt waren, dies wurde dem Schreiben von SMS zugeschrieben.
Auch psychotherapeutische Verfahren und Achtsamkeitstraining zeigen messbare neuroplastische Effekte.
Gliederung der Neuroplastizität
Neuroplastizität lässt sich in zwei Hauptformen gliedern: funktionelle Plastizität und strukturelle Plastizität.
- Funktionelle Plastizität beschreibt die Fähigkeit des Nervensystems, die Effizienz synaptischer Übertragung zu verändern. Sie zeigt sich vor allem in Mechanismen wie der Langzeitpotenzierung (LTP) und Langzeitdepression (LTD), bei denen sich die Signalstärke zwischen Nervenzellen erhöht oder vermindert.
- Strukturelle Plastizität umfasst die tatsächlichen Umbauprozesse auf zellulärer Ebene, also das Wachstum, die Rückbildung und die Neuorganisation von Dendritenbäumen, Axonen und Synapsen sowie auch die Neurogenese (Bildung neuer Nervenzellen).
Eine Sonderstellung nimmt die synaptische Plastizität ein. Sie gilt als Bindeglied zwischen funktioneller und struktureller Plastizität: Zum einen verändert sich die Übertragungsstärke bestehender Synapsen (funktionelle Komponente), zum anderen kann es zu einer Veränderung der synaptischen Kontaktflächen und zur Bildung oder Eliminierung von Synapsen kommen (strukturelle Komponente). Diese Kombination macht synaptische Plastizität zu einem zentralen Mechanismus des Lernens und Gedächtnisses.
Damit wird deutlich: Während die funktionelle Plastizität eher kurzfristige Anpassungen ermöglicht, spiegelt die strukturelle Plastizität längerfristige, anatomische Veränderungen wider. Die synaptische Plastizität vereint beide Aspekte und stellt die Grundlage für viele kognitive Prozesse dar.
Zusammenhänge zwischen NLP und Neuroplastizität
NLP-Formate zielen darauf ab, Gedanken, Gefühle und Verhalten durch gezielte Interventionen zu verändern. Damit aktivieren sie genau die Mechanismen, die Neuroplastizität möglich machen: wiederholte Erfahrung, Fokussierung von Aufmerksamkeit, emotionale Bedeutsamkeit und bewusste Neuausrichtung innerer Repräsentationen.
Beispiele sind
- Ankern: Verknüpft einen emotionalen Zustand mit einem Reiz; durch Wiederholung kann diese neuronale Verbindung gestärkt werden.
- Reframing: Ändert die Bedeutungszuweisung einer Erfahrung; neue Deutungen können neue neuronale Netzwerke aktivieren.
- Submodalitätenarbeit: Durch bewusste Veränderung innerer Bilder (Größe, Farbe, Abstand) werden andere neuronale Muster angesprochen.
Ein Beispiel
Eine Klientin hat jedes Mal starke Nervosität vor Vorträgen. In einem NLP-Coaching entwickelt sie einen kraftvollen Ressourcenanker (z. B. ein bestimmtes Händesignal in Verbindung mit einem Gefühl von Sicherheit aus einer früheren Situation). Indem sie diesen Anker in stressfreien Situationen immer wieder auflädt, trainiert sie ihr Gehirn, automatisch Gelassenheit abzurufen.
Nach einigen Wochen zeigt sich: Allein das Setzen des Ankers ruft sofort eine körperlich spürbare Ruhe hervor – ein Beispiel für verstärkte neuronale Bahnen durch Wiederholung.
Separator – Brücke zwischen Neuroplastizität und NLP
Der Separator ist im NLP eine gezielte Unterbrechung des gerade erlebten mentalen oder emotionalen Zustands. Typische Formen sind z. B. Aufstehen, tiefes Atmen, eine andere Frage, ein Scherz oder ein kurzer Themenwechsel. Sein Zweck ist es, einen „Break State“ zu erzeugen – also den aktuellen Zustand zu lösen, bevor ein neuer aufgebaut wird.
Aus Sicht der Neuroplastizität erfüllt der Separator eine wichtige Funktion:
- Er unterbricht die laufende neuronale Aktivierung eines alten Musters.
- Er schafft „neuronale Leerzeit“, sodass das Gehirn nicht gleichzeitig altes und neues Muster aktiviert (was zu Überlagerungen führen kann).
- Er erleichtert die gezielte Stärkung eines neuen neuronalen Pfades, weil dieser nach der Unterbrechung klar als „eigenständige Erfahrung“ abgespeichert wird.
Neuroplastisch betrachtet ist diese kurze Pause vergleichbar mit dem Prinzip „Reiz – Pause – neuer Reiz“, das in Lern- und Therapieforschung genutzt wird, um nachhaltige Musteränderungen zu erreichen. So verstärkt der Separator die Wirksamkeit von NLP-Techniken und unterstützt den Aufbau stabiler, neuer neuronaler Verbindungen.
Wozu ist das gut?
Neuroplastizität zeigt, dass Lernen und Veränderung nicht auf Kindheit und Jugend beschränkt sind. NLP nutzt diese Tatsache, indem es Methoden bereitstellt, die gezielt auf neuronale Muster wirken. Das bedeutet: Menschen können alte Gewohnheiten oder hinderliche Glaubenssätze auch im Erwachsenenalter verändern.
Durch bewusstes Wiederholen und emotionales Einbetten werden neue Verbindungen im Gehirn gestärkt. NLP-Techniken wie Ankern, Reframing oder Submodalitätenarbeit liefern praktische Werkzeuge für diesen Prozess. Auf diese Weise verbindet sich moderne Neurowissenschaft mit den pragmatischen Methoden des NLP und ermöglicht nachhaltige Veränderung.