Einsatzfelder für das Kontextreframing
Ein Kontextreframing ist angebracht, wenn eine Person einen Teil ihres Verhaltens selbst überkritisch betrachtet. Dies äußert sich oft in Form von Meta-Modell-Verletzungen, die als Vergleichstilgung bekannt sind. Dabei formuliert die Person sich selbst gegenüber Kritik, wie "Ich bin zu impulsiv, fordernd, gierig, usw.". Häufig sind solche Äußerungen das Ergebnis von einseitigen Erziehungsbotschaften oder rigiden Über-Ich Konstrukten.
Um den Klienten oder die Klientin zu unterstützen, wird in den folgenden Schritten eine flexiblere und lösungsorientiertere Herangehensweise an die abgelehnte Eigenschaft entwickelt. Ziel ist es, einen Kontext zu finden, in dem das bislang als störend empfundene Verhalten als nützlich und hilfreich betrachtet werden kann.
Interventionsschritte
- Coach zu Klient/in: "Betrachte Dich selbst, wie Du Dein unerwünschtes Verhalten X ausübst. (z. B. in der Gehaltsverhandlung stark selbstkritisch)."
- Nun tilge den Kontext und lasse nur noch Dein Verhalten (im Beispiel: Selbstkritisch sein).
Hilfreich ist, sich eine Bühne vorzustellen, auf der sich die Kulissen verschieben, d. h. Die Büroszene verschwindet, übrig bleibt nur Person B mit ihrem Verhalten z. B. selbstkritisch zu sein. Jetzt wird ein passender Kontext dazu gesucht. - Verändere den Hintergrund, bis Du einen neuen Kontext findest, in dem Du Dein Verhalten X wirklich magst, es sinnvoll ist (z. B. stark selbstkritisch sein bei Kritik von mehreren andern Menschen aus Deiner engsten Umgebung).
- Ankere das Verhalten in diesem neuen Kontext.
__________ SEPARATOR __________ - Hole den alten Kontext wieder. (Büro und Gehaltsverhandlung) Erlebe Dich selbst wieder in dieser Szene und finde ein neues Verhalten, das besser hierzu (z. B. in der Gehaltsverhandlung) passt.
- Ankere dieses neue Verhalten an den alten Kontext.
- Future Pace
Wirkmuster
Altes Verhalten —> neuer Kontext
Alter Kontext —> neues Verhalten
Zehn Beispiele für den Einsatz von Kontextreframing
Perfektionismus: Statt den Perfektionismus als Hindernis zu betrachten, kann er als Treibstoff für hohe Leistung in einem professionellen Umfeld genutzt werden. Man könnte dem Klienten helfen, seine hohen Standards in einem Kontext zu sehen, in dem Präzision und Genauigkeit geschätzt werden, und ihn ermutigen, sie in diesem "richtigen" Rahmen zu kultivieren.
Schüchternheit: Anstatt Schüchternheit als Einschränkung zu betrachten, kann sie als Stärke in einem ruhigen, einfühlsamen Umfeld gesehen werden. Durch die Identifizierung solcher Situationen kann der Klient lernen, seine Schüchternheit als eine Quelle der Sensibilität und Empathie zu nutzen.
Dominanzverhalten: Anstatt Dominanz als negatives Merkmal anzusehen, kann sie in einem Teamkontext als Führungsqualität wahrgenommen werden. Der Klient könnte dazu ermutigt werden, seine Führungsqualitäten in Projekten oder Arbeitsgruppen zu nutzen, um positive Veränderungen zu bewirken.
Risikoaversion: Statt Risikoaversion als Hemmnis zu betrachten, könnte sie als sinnvolle Vorsicht in bestimmten Situationen betrachtet werden. Der Klient könnte lernen, Risiken in einem strukturierten Rahmen zu bewerten und zu managen, um ein gesundes Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Innovation zu erreichen.
Impulsivität: Anstatt Impulsivität als Negativität zu sehen, könnte sie als Quelle der Spontaneität und Kreativität betrachtet werden. Der Klient könnte lernen, seine impulsiven Energie in konstruktive Kanäle zu lenken, z. B. durch Kunst, Musik oder Sport.
Kontrollfreak: Statt Kontrollfreak zu sein, könnte jemand als Organisationsgenie betrachtet werden. Man könnte dem Klienten helfen, seine Fähigkeiten in der Organisation und Planung in einem professionellen Umfeld zu nutzen, um effiziente Arbeitsabläufe zu fördern.
Passivität: Statt Passivität als Schwäche zu betrachten, könnte sie als Gelassenheit und Flexibilität in Situationen betrachtet werden, die einen ruhigen Ansatz erfordern. Der Klient könnte lernen, seine passive Natur in Konfliktsituationen einzusetzen, um deeskalierend zu wirken und Kompromisse zu fördern.
Überempfindlichkeit: Anstatt Überempfindlichkeit als Schwäche zu betrachten, könnte sie als Zeichen von Sensibilität und Einfühlungsvermögen betrachtet werden. Der Klient könnte lernen, seine Empfindsamkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen einzusetzen, um tieferes Verständnis und Unterstützung zu bieten.
Unabhängigkeit: Statt Unabhängigkeit als Isolation zu betrachten, könnte sie als Selbstständigkeit und Autonomie in persönlichen und beruflichen Beziehungen betrachtet werden. Der Klient könnte lernen, seine Unabhängigkeit in einem Teamkontext zu nutzen, um innovative Lösungen voranzutreiben.
Kritiksucht: Statt Kritiksucht als negative Eigenschaft zu betrachten, könnte sie als Streben nach Verbesserung und Wachstum gesehen werden. Der Klient könnte lernen, seine kritischen Fähigkeiten in einem konstruktiven Rahmen einzusetzen, um positive Veränderungen voranzutreiben und sich selbst und andere zu motivieren.
© Martin Fellehner, 2024