Ursprung und Entwicklung des Konzepts

Die zirkuläre Fragetechnik wurde in den 1980er-Jahren im Kontext der systemischen Familientherapie entwickelt, insbesondere durch die Arbeit von Milaner Therapeut:innen wie Mara Selvini Palazzoli und ihrem Team. Sie wollten Kommunikation nicht linear (Ursache → Wirkung), sondern zirkulär (Wechselwirkung) verstehen. Zirkuläre Fragen waren für sie ein Werkzeug, um die Struktur und Dynamik von Beziehungen innerhalb eines Systems (z. B. einer Familie) zu erfassen und sichtbar zu machen.

„Wie würde Ihr zukünftiges Ich Ihre heutige Ausrede bewerten?“
hier verschwimmt die Grenze zum Provo-Coaching

Diese Form des Fragens wurde bald auch in Coaching und Organisationsberatung übernommen, wo es weniger um Diagnose und mehr um Erkenntnisgewinn, Selbstreflexion und Handlungsfähigkeit geht.

Formen zirkulärer Fragen mit Beispielen aus der Coaching-Praxis

1. Perspektivfragen

Diese laden ein, sich in andere Beteiligte hineinzuversetzen.

  • „Wie würde Ihre Teamleiterin beschreiben, wie Sie mit Stress umgehen?“

2. Beziehungsfragen

Sie erkunden, wie Personen zueinander stehen oder wie sie einander wahrnehmen.

  • „Was glauben Sie, denkt Ihr Kollege über Ihre Beziehung zum Chef?“

3. Hypothetische Fragen

Sie ermöglichen, neue Möglichkeiten oder Veränderungen durchzuspielen.

  • "Wie würde sich Ihre Arbeitssituation verändern, wenn Ihr Vorgesetzter plötzlich in Elternzeit ginge?“

4. Zeitbezogene Fragen

Sie stellen Entwicklungen oder Veränderungen in den Fokus.

  • „Wie hat sich Ihre Sichtweise auf die Teamdynamik in den letzten sechs Monaten verändert?“

5. Reflektierende Fragen

Diese regen an, über die eigenen Gedanken oder Annahmen nachzudenken.

  • „Was sagt es über Ihre Werte aus, dass Sie diese Situation so bewerten?“

Wann sind zirkuläre Fragen hilfreich?

Zirkuläre Fragen sind besonders hilfreich:

  • wenn ein Perspektivwechsel gefördert werden soll,
  • wenn festgefahrene Muster erkannt und aufgebrochen werden sollen,
  • bei der Arbeit mit Teams oder Gruppen,
  • wenn ein Coachee in einer Situation „feststeckt“,
  • zur Stärkung der Selbstreflexion und Differenzierung.

Wann sollte man zirkuläre Fragen eher vermeiden?

Zirkuläre Fragen sind weniger geeignet:

  • in akuten Krisensituationen, in denen direkte Hilfe oder Struktur notwendig ist,
  • wenn das Gegenüber mit systemischem Denken nicht vertraut ist und eher klare Antworten erwartet,
  • bei sehr sachlichen, lösungsorientierten Gesprächen, in denen die Analyse sozialer Dynamiken nicht im Fokus steht,
  • wenn die Gefahr besteht, dass die Frage als manipulativ oder „psychologisch trickreich“ wahrgenommen wird.

Zirkuläre Fragen in anderen Coaching- und Therapieformen

Auch außerhalb des systemischen Coachings findet das Konzept zirkulärer Fragen Anwendung – zum Beispiel im der lösungsfokussierten Coaching (Steve de Shazer), in der hypnosystemischen Arbeit (Gunther Schmidt) und in der Organisationsentwicklung. Selbst im agilen Projektcoaching können zirkuläre Fragen dabei helfen, Rollen, Verantwortlichkeiten oder Feedbackprozesse besser zu verstehen.

Wozu ist das gut?

Wozu kann diee zirkuläre Frage genutzt werden?

Zirkuläre Fragen erweitern den Blick und fördern systemisches Denken. Sie helfen dabei, Verstrickungen und Wechselwirkungen besser zu verstehen.
Durch Perspektivwechsel können neue Handlungsoptionen entstehen. Sie stärken die Selbstreflexion und regen zu mehr Empathie an. Bewusst eingesetzt, machen sie den Unterschied zwischen einem guten und einem transformierenden Coaching-Gespräch.