Die Aufstellungsarbeit nach Hellinger

Die Lösungen aus unheilvollen Verstrickungen, (z. B. Identifikationen, Triangulierungen, Parentifizierungen) mit dem System der Herkunftsfamilie sind das Anliegen der systemischen Aufstellungen.

Hellinger hat sich mit den Ursachen dieser Verstrickungen auseinandergesetzt und Grundannahmen entwickelt, die seiner Meinung nach die Ursachen solcher Verstrickungen verständlich machen. Diese Grundannahmen stehen im Widerspruch zum individualistischen Lustprinzip und verpflichten sich vollständig dem systemischen Gedanken: Die primäre Liebe wird von allen Familienmitgliedern innerhalb der Gruppe (des Systems) erfahren, die für alle von zentraler Bedeutung ist. Die Zugehörigkeit zur Familie und die Aufrechterhaltung des Familiensystems haben Vorrang vor dem eigenen Wohlbefinden, dem eigenen Leben oder Glück.

Die kindliche Liebe ist auf diese Zugehörigkeit ausgerichtet; sie kann, wie im magischen Denken, zur dunklen Treue und (unbewussten) Vorstellung führen, dass es zum Wohl der Familie notwendig ist, das eigene Leiden oder sogar den eigenen Tod zu ertragen, um das Leiden anderer zu mildern oder fremde Vergehen zu sühnen. Die grundlegenden Dynamiken solcher dunklen Treue sind der Wunsch, einem geliebten Familienmitglied bis in den Tod zu folgen, lieber für den anderen zu leiden, als ihn leiden zu sehen, für jemand anderen zu sühnen und/oder sich mit ausgeschlossenen Familienmitgliedern zu identifizieren, um das System als Ganzes wiederherzustellen.

Grundprinzipien eines unbelasteten Systems:

Gegen diese unglücklichen Dynamiken formuliert Hellinger die (umstrittenen) Grundprinzipien eines unbelasteten Systems:

  • Jeder gehört zum System, kein Mitglied darf ausgeschlossen werden (Recht auf Zugehörigkeit)
  • Innerhalb der Familie hat das ältere Kind Vorrang, d. h. seinen Platz vor dem jüngeren (Würdigung der Reihenfolge)
  • Zwischen Herkunfts- u. Gegenwartsfamilie hat das spätere System Vorrang vor dem Früheren (Orientierung an Wachstum und Fortpflanzung)
  • Wer höheren Einsatz leistet, hat Vorrang vor demjenigen, der sich weniger einsetzt (Förderung der individuellen Reifung von Systemmitgliedern)

Familiäre Haltungen

Diese Grundprinzipien begründen folgende familiären Haltungen:

  • Die Eltern sind, jenseits ihres Persönlichen, anzuerkennen und zu würdigen
  • Die Eltern sind einander ebenbürtig (Ausgleich des Gebens und Nehmens)
  • Frühere Partner sind als solche zu akzeptieren und zu sehen
  • Die Generationen bedürfen ihrer Eigenständigkeit, eigenen Wertschätzung; erst eine (nahe) Distanz ermöglicht ein gutes Verhältnis (Trennung Eltern-Kinderebene)
  • Fremde Schuld, Verantwortung, Krankheit etc. wird nicht übernommen
  • Eigener Schuld und Verantwortung wird bekannt

Im Zentrum dieser Sicht steht in der Arbeit mit Familienaufstellungen das Zusammenspiel der Bedürfnisse nach Bindung, Ausgleich und Ordnung. Die Erfahrung mit Familienstellen hat gezeigt, dass systemische Verstrickungen und daraus erwachsenes Leid häufig bestehen, zumeist bedingt durch Missachtung der Eltern-Kind-Positionen, zuweilen auch durch fehlende Anerkennung schwerer Schicksale.

Systemische Verstickungen

Die systemischen Verstrickungen sind dann im Einzelnen zu erkennen und zu verändern (lösen), so etwa:

  • Kindposition auf Eltern-Großelternebene z. B. als Ersatz für Partner (Parentifizierung)
  • Kindposition zwischen den Eltern z. B. Vermittlerrolle (Triangulierung)
  • Kind nimmt Platz ein von Nichtrespektierten, Ausgeschlossenen (Identifikation)
  • Kind trägt fremde Schicksalslast (Krankheit etc.) oder Fremdgefühle (z. B. Schuld)
  • Stellvertretendes Sterben ("Ich folge Dir nach, Lieber ich als Du")
  • Kind nimmt das Leben nicht an,Abhängigkeiten durch unbewusst einschränkende Bindungen
  • Übernommene Aufgaben (Delegation)
  • Einschränkende LebensüberzeugungenBlockierende familiäre Energien
  • Entfremdung von der Familie, kein Platz in der FamilieNichtverarbeitete Familientragödien
  • Unterbrochene Hinbewegung zu einem Elternteil

Das heilende Bild

Ziel der Arbeit mit Familienaufstellungen ist es, dem Klienten ein neues, heilendes seelisches Bild betreffend seiner familiären Bindung finden zu lassen.

© Bernhard Tille, 2023